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Auf Perlensuche in Wien

Klein, aber fein. Dieser Spruch fällt Anleger bei einem Blick auf die Performancestatistiken der Wiener Börse ­ein. Der Leitindex ATX liegt seit Jahresbeginn rund zehn Prozent im Plus. Nimmt man da die Titel der zweiten Reihe (ATXPrime) hinzu, verbessert sich die Performance auf 13 Prozent. Und selbst inklusive der oft als Kursleichen genannten dritten Reihe im WBI (enthält alle Wiener Werte) liegt der Anleger zwölf Prozent im Plus. Dabei drückten die natürlich auch im WBI enthaltenen schwergewichteten ATX-Titel sogar auf den Performance-Schnitt der Nebenfront.
Auf makroökonomische Ebene herunter gebrochen, kann das Mehr der kleinen Titel wohl mit ihrer ­stärkeren Exportorientierung ­erklärt werden. Auch wenn sich die Finanztitel in Osteuropa festgesetzt haben, (Waren-)Export ist das noch lange keiner - doch fast einzig dieser weist im Soge des Booms in Asien sowie Südamerika ansprechende Zuwachsraten auf.
Walter Harecker; Manager des Österreich-Aktien-Fonds der ­Semper Constantia Privatbank ist einer jener wenigen institutionellen Anleger, die sich auch gern mal in der zweiten Reihe umschauen - nicht immer, "aber unter den Schwergewichten in Wien befinden sich viele Finanztitel, in gewissen Marktphasen muss man sich aber in anderen Branchen bewegen", sagt Harecker. Einen Vorteil hat die ­Nebenfront jedenfalls, sie steht weder groß im medialen Interesse, noch in dem von Analysten: "Wenn man Perlen sucht, findet man die sicher nicht in der ersten Reihe", ist daher für Martin Mikulik, Vorstand der Security KAG, klar. Mikulik ist ein anderer "Professioneller" mit Ambitionen in der zweiten und dritten Reihe. Der Fonds Capital Bank Opportunities sucht (nicht nur in Österreich) unterbewertete Titeln, die mehrheitlich nicht in den großen Indizes zu finden sind: PI Power ist aus österreichischer Sicht so ein Unternehmen, in das der Fonds investiert. Die ATX-Mitglieder Semperit, Wienerberger und EVN sind aber auch dabei - so relativiert sich der Begriff Large und Small Cap im internationalen Bereich.

An sich will keiner der 2. Reihe-Stockpicker allzu viel über seine Investments sagen, "um nicht in der Geruch der Kurspusherei zu kommen", sagt Mikulik - aber was reizt ihn an diesen Werten? "Teilweise gibt es hier Unternehmen mit sehr hohem Cash-Bestand und einer attraktiven Bewertung - die irgendwann entdeckt werden". Und da möchte Mikulik dann von ­Beginn an dabei sein.

"Ich suche Unternehmen, die in sehr speziellen und profitablen Nischen unterwegs sind, dort absolutes Know-how aufweisen und global auftreten", beschreibt ­Harecker seine Vorgehensweise. Womit wir beim Stichwort Export sind - "die Stärke Österreichs und seiner Unternehmen", sagt der Fondsmanager. Im ersten Halbjahr ­haben die heimischen Exporte um 12,5 Prozent zugelegt. Ziel für das Gesamtjahr sind 100 Milliarden Euro. Damit wird wohl die Hälfte der heimischen Wirtschaftsleistung über den Export erwirtschaftet. Vor der Krise waren es 60 Prozent. Der Weg scheint wieder dahin zu gehen, auch weil sich die Betriebe verstärkt gen neuer Wachstumsregionen wandten, denen mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten. Der steirische Leiterplattenproduzent AT&S etwa besteht heute bereits großteils aus China-Produktionseinheiten. Aber das sicherte die Nähe zum Kunden und machte den Weg frei, die Nummer eins der Branche zu sein. Größe ist in einer Nische der Schlüssel zum Kostenvorteil, dazu haben sich die Steirer in der technologischen Spitze etabliert. AT&S hat es bei unserem "Neben-Werte-Börsetest" trotzdem "nur" auf Platz fünf geschafft. Der investor hat die zweite Reihe einem Börse-Test unterzogen. Dabei wurden die ­Unternehmen des WBI herangezogen und ATX-Mitglieder aussortiert. Gleiches gilt für Immobilienwert. Einerseits, da diese ja teilweise in den ATX ­kommen, andererseits, da kein ­realer Export.

Drei Plätze vor AT&S, ex-aequo mit Wolford auf zwei, liegt Rosenbauer. Der oberösterreichische ­Feuerwehrausrüster und Löschfahrzeugspezialist ist für Harecker eines der Beispiele für die Exportstärke Österreichs: "Durch den globalen Auftritt konnte der Markteinbruch im angestammten Markt für Kommunalfahrzeuge in Mitteleuropa mehr als wettgemacht werden." Heute wird kräftig nach Asien und den Nahen Osten exportiert.
"Und während zum Beispiel Löschfahrzeuge bei anderen Herstellern oft nur ein kleiner Bereich unter vielen ist, der damit manchmal auch stiefmütterlich behandelt wird, kann sich Rosenbauer voll und ganz auf die Weiterentwicklung seiner Produkte konzentrieren", sagt Harecker. Auf Basis der ­Entwicklung der ersten neun Monate bestätigte CEO Julian Wagner das weitere Wachstum für das Jahr 2010. Beim Konzernumsatz wird erstmals in der Geschichte des ­Unternehmens die 600-Millionen-Euro-Marke angestrebt. Beim EBIT geht Wagner davon aus, ein Rekordergebnis zu erzielen, wobei trotz des verschärften Wettbewerbs eine EBIT-Marge von über 7,5 ­Prozent erwartet wird.
Sieger Agrana bietet ein Dividendenrendite, die fünfjährigen Staatsanleihen entspricht und notiert nur knapp über Buchwert - und steigert die Gewinne mit einer breiten regionalen Aufstellung relativ beständig.

Die Gefahren. Bevor sich Anleger zu einem Investment unterhalb des ATX-Segments entscheiden, sollte zuvor die Handelbarkeit der Aktie an der Börse beobachtet werden. Denn es gibt wohl kaum Schlimmeres, als wenn plötzlich alle durch ein ganz, ganz kleines Nadelöhr drängen. "Für Private ist das aber meistens kein Problem", sagt der Constantia-Mann, rät aber "jedenfalls mit Limits zu agieren, "um keine bösen Überraschungen zu erleben".

Von solchen Titeln muss Harecker dann wirklich überzeugt sein, denn ein schnelles Rein-Raus gibt es als Option oft genug nicht: "Als Fondsmanager muss man sich Zeit ­nehmen, die Positionen langsam auf- oder abbauen, "denn die Tür kann schnell ganz eng werden". Das schreckt vor allem große Fonds vor Investments ab.
Mehrheitlich als Vorurteil tut Harecker die Sorge um die Informationspolitik der im Schatten stehenden notierten Unternehmen ab: "Die kleinen Unternehmen werden immer professioneller, da gab es in den vergangenen Jahren in Bezug auf die Kapitalmarktkommunikation große Fortschritte. Die Intransparenz sieht auch Mikulik nicht wie allgemein oft befürchtet im Argen liegen, "da gibt es genauso Vorschriften, die eingehalten werden müssen. So intransparent wie oft geglaubt sind die Titel nicht - es weiß nur keiner, weil keiner hinschaut.

In einem sind sich die beiden Marktstrategen einig: Da weniger Augen auf kleine Unternehmen gerichtet sind, ist das Einzeltitelrisiko für Anleger größer - und legen daher die Fondslösung ans Herz. Mit A-Tec und AvW haben erst kürzlich zwei Unternehmen der zweiten Reihe für negatives Aufsehen gesorgt, wo viel privates Geld verloren ging.